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Buchrezension Anna Enquist – Die Seilspringerin

Schöpferischer Krisenmodus

In Anna Enquists Roman „Die Seilspringerin“ schwankt eine Komponistin zwischen Kinderwunsch und Kunsterfüllung.

vonRaphaela Hag,

Sind künstlerisches Schaffen und Kinder miteinander vereinbar? Um diese Frage dreht sich Anna Enquists vielschichtiger Roman – und um die Ambivalenz des Kinderkriegens und Elternseins: „Das Allerschönste“ soll es sein; für manche stellt es „eine Bedrohung“ dar, verbunden mit dem Gefühl, „in einem klebrigen Netz gefangen zu sein“. Oft genug kennt Frau oder Mann beides. Am Beispiel ihrer Protagonistin beleuchtet Enquist eindrücklich alle Schattierungen: Als weltweit anerkannte Komponistin behauptet Alice sich in einer Männerdomäne. Mit Werbejingles verdient sie heimlich sogar sehr viel Geld. Das Königliche Sinfonieorchester hat sie auserwählt, zu seinem 100-jährigen Jubiläum ein Werk zu komponieren. Mit Mark führt sie eine Ehe auf Augenhöhe. Alles könnte so schön sein, wäre da nicht ihre unerfüllte Sehnsucht nach einem Kind, einer Tochter – versinnbildlicht durch das Relief einer kleinen Seilspringerin. Diese zieht sich wie ein Leitthema durch den Roman. Mit knapp vierzig unterzieht sich Alice daher einer strapaziösen Kinderwunschbehandlung. Diese bringt alte Wunden und Ängste ans Licht. Ihr Mann fühlt sich zunehmend wie eine „Samenmaschine“.

Autorin Anna Enquist ist ausgebildete Pianistin und Psychoanalytikerin
Autorin Anna Enquist ist ausgebildete Pianistin und Psychoanalytikerin

Anna Enquist beendet ihren Roman mit einem Paukenschlag

Trost findet Alice in dieser Phase in ihrem Vorbild Joseph Haydn, der Kinder liebte, dessen Ehe jedoch kinderlos blieb. Durch schwere Zeiten half ihm seine Musik. Auch Alice bietet das Komponieren einen sicheren Rückzugsort. Sie findet, Gefühle ließen sich nicht in Worten ausdrücken. Vielleicht schreibt Enquist deshalb eigenartig neutral, analytisch und prägnant. Um Seelenzustände aufzuzeigen, referenziert sie dafür etwa auf Musikstücke. Alice lässt ihre Gefühle in die Musik fließen. So gehen ihre stärksten Werke aus ihren Krisen hervor. Mit dem Jubiläumskonzert gipfelt der Roman in einem fulminanten Finale. Er endet mit einem Paukenschlag.

Die Seilspringerin

Anna Enquist Luchterhand 304 Seiten 24 Euro

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