Das Revolutionäre der US-amerikanischen Minimal Music, wie sie Steve Reich und andere seit den 1960er-Jahren ausprägten? Dass sie die Parameter der Musik des globalen Nordens radikal veränderten. Statt Melodie und Begleitung ging es um einen Fluss aus Partikeln, Klangfarben und komplexen Rhythmen, wie sie etwa Musikkulturen in Ghana und auf Bali hervorgebracht haben. Reich hat sein Schaffen im Laufe der Jahrzehnte immer weiter verfeinert und in Besetzungen und Genres ausgeweitet. So mit der Chor-Orchester-Kantate „The Desert Music“ von 1983. Die gesungenen Texte behandeln die Atombomben-Experimente in der Wüste von New Mexico und die folgenschweren Angriffe auf Hiroshima und Nagasaki. Mit dem Philharmonic Chorus of Tokyo und dem Future Orchestra Classics, geleitet vom japanischen Komponisten Joe Hisaishi, stellt sich sofort der magische Effekt dieser Musik ein: Der Sog der Rhythmen, der Farbrausch, die spezifische Schichtung, das Kontinuum zwischen Chor und Orchester, die Wucht des Kollektivs. Joe Hisashi seinerseits hat auf den verheerenden Anschlag von 9/11 in New York City reagiert: das Chor-Orchesterwerk mit Sopransolo „The End of the World“ von 2015 ist imposant in seiner postminimalistischen Vehemenz, seiner elegischen Tiefe, Dramatik, seinen plastischen Gesten und überraschenden Umschwüngen. Zumal mit dem bezwingenden Gesang von Ella Taylor. Zwei bedeutende Referenzaufnahmen sind hier entstanden.

Reich: The Desert Music, Hisaishi: The End of the World
Ella Taylor (Sopran), The Philharmonic Chorus of Tokyo, Future Orchestra Clasics, Joe Hisaishi (Leitung)
Deutsche Grammophon