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Porträt Julian Steckel

Blick über den Horizont

Einst waren es die Geiger, heute sorgen die jungen Cellistenfür Furore – wie Julian Steckel

vonChristoph Forsthoff,

Vielleicht war es ein wenig Übermut, vielleicht auch einfach nur der Spaß an der Rollerfahrt – das Ende jenes Ausflugs mit dem motorisierten Zweirad eines Freundes im Sommer 2005 hatte Julian Steckel jedenfalls so nicht geplant. Plötzlich war da die Hauswand, das linke Handgelenk kompliziert gebrochen, all die Pläne für die nächsten Monate hinfällig. Vor allem aber tauchte angesichts von Gips und Schiene wie ein Schreckgespenst die Frage auf: Würde die Verletzung jemals so verheilen, dass die nötige Kraft in die Griffhand zurückkehren, der Cellist seine alte Konzertform wieder erreichen würde?

Eine Auszeit fürs Leben

Doch wie es manchmal so mit Rückschlägen im Leben ist: Aus dem Tief erwachsen (neue) Stärken, in der Verzweiflung des Moments eröffnen sich neue Perspektiven. Statt zu hadern und nur Frust zu schieben, nutzte der junge Musiker damals die erzwungene Auszeit für all die Dinge, die in den eng getakteten Jahren seiner jungen Karriere zuvor zu kurz gekommen waren: Freunde treffen, viele Bücher lesen – und auch ein wenig über den Sinn einer „Pause“ nachdenken. „Rückblickend betrachtet, war diese vielleicht gar nicht so schlecht.“ Auch wenn der ernsthafte junge Mann dies seinerzeit wohl kaum so gesehen hat, schließlich hatte der Unfall nicht nur zahlreiche Konzerte und eine geplante CD-Aufnahme platzen lassen, sondern auch seine Teilnahme am renommierten ARD-Wettbewerb verhindert.

Vergangenheit – auch wenn diese den 1982 in Pirmasens geborenen Musiker zweifellos geprägt hat bis hin zum umsichtigen Kick mit dem Fußball zwischen zwei Proben. Denn die Teilnahme am bedeutendsten deutschen Klassik-Wettbewerb war nur aufgeschoben, nicht aufgehoben: 2010 beeindruckte der Cello-Verführer mit seinem intensiven und sanglichen Ton derart überzeugend, dass der Virtuose nicht allein den ersten Preis der ARD-Jury erhielt, sondern auch zusätzlich noch den Publikums- und zwei weitere Sonderpreise. Seither hat sich seine Laufbahn in geradezu atemberaubendem Tempo fortentwickelt: An der Musikhochschule in Rostock trat Steckel 2011 eine Professur an und baut dort nun eine Celloklasse neu auf, seine CD-Aufnahme mit den Konzerten von Korngold, Bloch und Goldschmidt gehörte im selben Jahr nicht nur zu den klangprächtigsten, sondern vor allem spannendsten Neuerscheinungen, für die der leidenschaftliche Kammermusiker 2012 denn auch folgerichtig den Echo bekam.

Musik als gemeinsame Aktion

Mehr als Ehrensache, dass der groß gewachsene Blondschopf trotz dieser Erfolge als Solist dem Musizieren im kleinen Kreis treu geblieben ist: Musik, das ist für ihn nie ein Ego-Trip gewesen, sondern stets eine gemeinsame Aktion – ob nun als Kind zuhause, wo Instrumente zum Alltag gehörten (nicht nur für die Geschwister, sondern auch für die Mutter als Klavierlehrerin und den Vater als Schulmusiker), auf seinen ersten CD-Aufnahmen mit Kammermusik oder bis heute im Konzert. Und seine Lehrer haben ihn in dieser Liebe zum Duo oder Spiel im kleinen Kreis bestärkt: Angefangen von Ulrich Voss in Saarbrücken über die Top-Kollegen Gustav Rivinius, Boris Pergamenschikow und Heinrich Schiff – allesamt famose Kammermusiker – bis hin zu Antje Weithaas. Die Geigerin Weithaas? Ja, tatsächlich hat Steckel bei ihr nicht nur studiert, sondern sogar sein Konzertexamen in Berlin gemacht – und ihr Denken als Anstoß für seine heutige eigene Lehrtätigkeit genommen: Nicht auf das Instrument kommt es an, sondern auf den technischen wie künstlerischen Blick über die eigenen Saiten hinaus. Was natürlich auch für motorisierte Gefährte gilt.

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