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Interview Riccardo Chailly

„Die Ehe ist glücklich“

Riccardo Chailly über neue Pläne mit dem Gewandhausorchester, seine Liebe zu Leipzig und Flammen im Orchester

vonChristian Schmidt,

Der Erfolg ist ihm gewiss: Riccardo Chailly beweist seit 2005 ein überaus glückliches Händchen mit dem Gewandhaus in Leipzig. Seit er die Geschicke des Orchesters leitet, hat es seinen Spitzenplatz im musikalischen Weltgetümmel nicht nur verteidigt, sondern vor allem bekannt gemacht. Herausragende Aufnahmen und renommierte Preise, wichtige Residenzen und Gastspiele an bemerkenswert prominenten Orten führten dazu, dass die Klasse der Leipziger international anerkannt wird. Erst vor kurzem hat Riccardo Chailly seinen Kapellmeistervertrag um weitere fünf Jahre bis 2020 verlängert – ein Glück, das man in Leipzig, der Stadt mit der überwältigenden Musikgeschichte, sehr zu schätzen weiß.

Vor wenigen Wochen erst wurde Ihr Vertrag in Leipzig verlängert. Ihre Ehe mit dem Gewandhausorchester hält also auch nach acht Jahren noch?

Absolut, die Ehe ist glücklich! Ich bin so begeistert in Leipzig wie am ersten Tag, mein Weg ist noch nicht zu Ende. Wir entwickeln unser Repertoire immer weiter und lernen noch bis 2020 gemeinsam. Es stehen viele große Projekte an: Wir machen Aufnahmen und DVDs, längst nicht alle Gastspielangebote können wir bedienen. Ich freue mich sehr, dass wir weiter zusammenarbeiten.

Hätten Sie gedacht, dass das so lange gut geht?

So etwas kann man nicht vorhersehen. Das Feuer des Anfangs lodert immer noch. Der frische Enthusiasmus, dieser unbedingte Wille und nicht zuletzt die gute Vorbereitung sind Eigenschaften, die ich am Gewandhausorchester sehr hoch schätze.

Die Unkenrufe, Sie würden nicht lange bleiben, behielten nicht Recht.

Wissen Sie, was in der globalisierten Künstlerwelt einfach nicht zu begreifen ist? Treue. Wen meine Treue zum Gewandhausorchester überrascht, der verkennt dessen Potenzial. Für mich liegt der Reiz meiner Aufgabe darin, ein einst verkanntes Juwel zu polieren. Hier habe ich eine neue Orchesteridentität entwickelt. In meinen Augen gibt es weltweit wenig andere Gelegenheiten, das zu tun.

Wo gastieren Sie denn außerhalb des Gewandhauses in dieser Spielzeit?

Wenig. Ich pflege aber meine musikalischen Freundschaften zur Mailänder Scala, gastiere bei den Wiener und Berliner Philharmonikern.

Aha! Immerhin wird in Berlin gemutmaßt, Sie könnten 2018 Simon Rattles Nachfolger bei den Philharmonikern werden.

Lassen Sie sie spekulieren, ich beteilige mich daran nicht.

In Leipzig haben Sie mit Ihren Schumann-, Beethoven- und Brahmszyklen sowohl im Konzert als auch auf CD viel Lob eingestrichen. Welche Komponisten haben Sie für die Zukunft im Blick?

Den Brahms-Zyklus schließen wir gerade ab, unsere Gesamtaufnahme seiner Sinfonien ist soeben bei Decca erschienen. Es folgen Mozart und Richard Strauss, der nächstes Jahr Jubiläum feiert. Die Sinfonien des Hauskomponisten Mendelssohn werden eine große Rolle spielen, wie wir auch sonst die musikhistorische Grundierung dieser Stadt ernst nehmen. Deswegen denken wir auch über Tschaikowsky, Grieg, Weill und Eisler nach. Und wir setzen uns selbstverständlich mit der Moderne auseinander, sie ist wichtig für das Orchester. Aber Zyklen in dem Sinne planen wir nicht mehr, sondern wollen eher Fixpunkte setzen. Pro Jahr werden wir zum Beispiel regelmäßig eine Mahler-Sinfonie auf DVD aufnehmen mit Covern von Neo Rauch. Da haben wir in Leipzig natürlich ein großes künstlerisches Potenzial.

Das Gewandhausorchester verließ erst 1916 zum ersten Mal unter Arthur Nikisch die Stadt. Seitdem wird es weltweit gefeiert.

Wir haben das Glück, mehrjährige Residenzpartnerschaften mit dem Wiener Musikverein, der Salle Pleyel in Paris und dem Barbican Centre in London pflegen zu können. Diese Gastspiele tragen den Ruf des Gewandhausorchesters in alle Welt.

Ist das eine Modeerscheinung, dass man Sie gut findet?

Nein, das Publikum erkennt die Qualität. Und es begreift, dass wir, wohin auch immer wir reisen, eine Wahrhaftigkeit transportieren, die mit unseren musikalischen Wurzeln zu tun hat. Wer das Gewandhausorchester hört, hört immer auch Bach, Mendelssohn, Wagner mit. Bach ist sehr wichtig für die Spielkultur, das hören Sie auch bei Schumann und Mendelssohn heraus. Ich habe das noch nie so gespürt wie hier.

Klingt denn das wirklich immer nach?

Diese starken historischen Verbindungen sind bis heute ein Identifikationssymbol mit Leipzig. Die reiche musikalische Geschichte dieser wunderbaren Stadt prägt eben nicht nur das Image des Orchesters, sondern auch seinen Klang.

Legendär ist das warme Streichertimbre, die dunklen Nuancierungen der Holzbläser, die satten Farben, die romantisierende Musizierhaltung. Der besondere Klang wird von Musikkritikern gelegentlich mit Mahagoni-Holz in Verbindung gebracht. Was finden Sie daran besonders?

Seine Identität. Und die persönliche Wärme der Musiker, die Voraussetzung für ihr Spiel ist. Es gibt hier keine Routine, sondern jeden Tag Lebendigkeit und Temperament. Dieser romantische Klang in all seiner tiefen, seelischen Sinnlichkeit macht mich immer wieder glücklich und stolz, dass ich dieses Orchester leiten darf. Es ist mir eine Ehre, immer wieder nach Leipzig zurückzukehren. Ich liebe diese Stadt! Und ich erinnere mich noch gut daran, wie mir 1986 Herbert von Karajan das Orchester in Salzburg empfahl. Wir spielten Don Juan – es gab eine regelrechte Explosion. Man kann als Dirigent ein Feuer legen, und wer es richtig macht, dem schlagen die Flammen aus dem Orchester entgegen. In unseren Konzerten sollen die zu hören sein.

Und das ist einmalig?

Einmalig ist vor allem die fast unwiederholbare Kombination der drei Elemente, in denen das Orchester zu Hause ist. Das Gewandhausorchester ist mit seinen 185 Musikerstellen deswegen das größte Orchester weltweit, weil es nicht nur im Gewandhaus selbst, sondern auch in der Oper und mit den Thomanern in der Thomaskirche spielt. Das finden Sie nirgendwo sonst auf der Welt, und es macht die musikalische Identität des Orchesters aus: Es ist einfach sehr kultiviert in verschiedene Richtungen. Welches große Sinfonieorchester spielt sonst so regelmäßig Barockmusik, wenn es sonst große Sinfonien und Opern spielt?

Ihr Debüt gaben Sie schon mit 16 Jahren in Mailand. 1974, da waren Sie gerade 21, holte Sie Claudio Abbado als Assistenten für sinfonische Konzerte an die Scala. Eigentlich kommen Sie ja von der Oper.

Das hat mich ja auch so an Leipzig gereizt – dass hier ein Sinfonieorchester auch Oper spielt.

Werden Sie wieder in der Leipziger Oper dirigieren?

Dafür reicht meine Zeit nicht aus, leider. Aber die Oper ist bei Generalmusikdirektor Ulf Schirmer in besten Händen.

Ihr Kalender ist voller, seit Sie die „Großen Concerte“ nun dreimal geben. Warum?

Das ist eine Referenz an das Leipziger Publikum, das unser Orchester sehr schätzt. Die Nachfrage ist hoch, die Abonnentenzahlen steigen kontinuierlich. Wir können mit drei Konzerten, davon einem am Vormittag, noch deutlich mehr Kontakt zum Publikum aufnehmen. Das ist mir wichtig.

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