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Kurz gefragt Avi Avital

Humus gegen Heimweh

Noch nie war die Mandoline im Konzertleben so präsent wie durch den israelischen Musiker Avi Avital. Hier spricht er über …

vonJakob Buhre,

… den Geist von Berlin

Berlin ist ein kreativer „Melting Pot“, wo praktisch jede Hauswand zu einer Leinwand werden kann. Ich glaube auch, dass das im Moment die Zeit von Berlin ist, so wie es in den 60ern die Zeit von New York war oder Paris zur Zeit von Ravel und Debussy. Berlin ist auch der Ort, wo ich mir zum ersten Mal überlegt habe, mit Elektronik zu arbeiten und mit Videokünstlern. Man ist sehr inspiriert in dieser Stadt.

… die Carnegie Hall

Ich werde im Januar dort das erste Mandolinen-Recital überhaupt spielen, das ist nicht nur für mich, sondern auch für die Mandoline ein Meilenstein. In der Carnegie Hall passieren magische Dinge, weil jeder weiß, dass dort in den letzten hundert Jahren jeden Abend die besten Musiker der Welt gespielt haben. Wenn man den Saal betritt, spürt man sofort, dass hier außerordentliche Musik in der Luft war, genauso wie religiöse Menschen an heiligen Stätten eine besondere Energie spüren.

… Rockmusik

Ich habe mit 14 Schlagzeug und E-Gitarre gespielt. Meine Haare waren sehr lang, bis zum Ellenbogen – ich muss fürchterlich ausgesehen haben. Wir hatten eine Rockband, und ich mochte es, wie die Leute bei unseren Konzerten dazu tanzten, wie sie direkt auf die Musik reagierten. Das gibt einem viel Energie. In der Klassik kann das ähnlich sein, auch wenn es da eher subtil und unsichtbar geschieht. Die Leute tanzen ja nicht in der Philharmonie, aber wenn 3000 Leute am gleichen Ort das gleiche erleben, wenn kurz vor dem Applaus diese zwei Sekunden totale Stille herrscht, dann entsteht genauso viel Energie.

… Israelis im Ausland

Es ist interessant zu beobachten, wie einfach die Israelis meiner Generation durch die Welt reisen. Wenn man mich fragt, woher ich komme, sage ich immer Israel, auch wenn ich acht Jahre in Italien und 13 Jahre in Berlin gelebt habe. Es gibt auch Momente, in denen ich Heimweh bekomme, wo ich mich zum Beispiel nach gutem Humus sehne. Dafür gibt es aber in Berlin ein paar bestimmte Orte, wo man das Gefühl hat, in einem Restaurant in Tel Aviv zu sein. Dort gehe ich manchmal hin und fühle mich sofort wie zuhause.

… das West-Eastern Divan Orchestra

Ich bewundere dieses Projekt. Viele Freunde von mir spielen in dem Orchester, sowohl Araber als auch Israelis, und ich glaube zu 100 Prozent an das Konzept: Wenn du die Kultur des anderen kennen lernst, wenn man gemeinsam Musik macht, gibt es keine Möglichkeit, einander zu hassen. Das Orchester beweist, dass es zu dem Nahost-Konflikt, wie wir ihn in den Nachrichten sehen, Alternativen gibt. Und ich denke, es kann die Politik beeinflussen, es sendet eine Botschaft.

… Wagner

Ich habe mal aus Spaß versucht, mir zu überlegen, was man von ihm für die Mandoline arrangieren könnte und bin dann zu dem Schluss gekommen, dass es wohl kaum einen Komponisten gibt, der weiter von der Mandoline entfernt ist als Wagner. Ob man ihn in Israel aufführen sollte oder nicht, dazu habe ich keine bestimmte Meinung. Diese Debatte ist sehr vielschichtig und sie wird sehr emotional geführt. Ich finde, genauso wie man sehen muss, dass Wagner ein großes Genie war, muss man auch die Emotionen der Menschen respektieren, die eine Aufführung ablehnen.

… Folklore

Für mein aktuelles Album hat mich interessiert, wie klassische Komponisten zu Beginn des 20. Jahrhunderts mit Folklore-Elementen umgegangen sind. Bartók und Kodály haben in kleinen Dörfern Volkslieder gesammelt und sie in Konzertmusik verarbeitet, de Falla machte das mit spanischer Folklore, Piazzolla mit dem Tango. Das war damals revolutionär. Heute haben wir ja das Privileg, viel über andere Kulturen zu wissen und es gibt YouTube, wo jede Art von Folklore nur einen Klick entfernt ist. Aber als zum Beispiel damals das Amerikanische Quartett von Dvořák uraufgeführt wurde, mit der Pentatonik, wie sie die afro-amerikanische Musik benutzt – das muss extrem modern gewesen sein.

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