Barockopern erfreuen sich seit einiger Zeit wachsender Beliebtheit. Werke wie die von Georg Friedrich Händel, einst beinahe in Vergessenheit geraten, werden heute als kostbares Kulturerbe geschätzt. Im 20. Jahrhundert erkannte man zunehmend die zeitlose Qualität und Ausdruckskraft des deutsch-britischen Meisters und rief ihm zu Ehren eigene Festspiele ins Leben: 1920 in Göttingen, 1922 in Halle und schließlich 1978 in Karlsruhe. Diese drei bilden heute das Herzstück der Händel-Pflege im deutschsprachigen Raum.
Doch das Barockfieber hat längst auch andere Städte erfasst. Zahlreiche Häuser und Festivals widmen sich heute sogar nicht mehr nur Händel, sondern ziehen mit wachsender Neugier auch seine oft wenig beachteten Zeitgenossen heran. Was sie dabei reizt, sind sicherlich die erfrischende musikalische Vielfalt, die spannend verwobenen Themen – Liebe, Tragik, Wahnsinn – und nicht zuletzt gewisse queere Perspektiven wie Travestierollen. So werden viele Barockwerke derzeit wiederentdeckt, manche gar erstmals zur Aufführung gebracht und bieten Opernfans gerade in den Sommermonaten Gelegenheit, auf musikalische Erkundungsreise zu gehen.
Das Theater Münster etwa bringt Francesco Cavallis Oper „Il Giasone“ auf die Bühne. Die Handlung basiert auf der Argonautensage der griechischen Mythologie und führt gewitzt vor Augen, welche Turbulenzen Jasons Liebesaffären auf dem Weg zum Goldenen Vlies verursachen. Verlassene Ehefrauen, uneheliche Kinder, aufgebrachte Ehemänner und eingreifende Gottheiten – dennoch endet das Abenteuer überraschend glimpflich. Cavallis Musik stach seinerzeit durch stilistische Neuerungen hervor, etwa der damals bahnbrechenden Trennung von Rezitativ und Arie oder durch Einbindung komödiantischer Elemente wie einer stotternden Dienerfigur.
Zwischen Liebeswahn und Heldentum
Auch im Rahmen der Händel-Festspiele Halle gibt es in diesem Jahr spannende Entdeckungen zu machen, wenn im knapp zehn Kilometer entfernten Goethe-Theater in Bad Lauchstädt Keisers Oper „Octavia“ aufgeführt wird, interpretiert von der renommierten Lautten Compagney Berlin. Keiser beleuchtet darin die Abgründe der römischen Herrschaft unter Kaiser Nero. Zwar befiehlt dieser seiner Gattin Octavia, sich das Leben zu nehmen, damit er eine neue Geliebte heiraten kann – doch die kluge Octavia überlistet ihn und überlebt. Bemerkenswert: Keiser komponierte das Werk 1705 als Antwort auf Händels gleichnamige Oper „Nero“, deren musikalisches Material Händel später zum Teil in eigenen Werken weiterverwendete.
Ein weiterer Höhepunkt findet sich bei den Musikfestspielen Potsdam-Sanssouci. Dort wird Agostino Steffanis „Orlando generoso“ von Dorothee Oberlinger und ihrem Ensemble 1700 auf die Bühne gebracht. Steffani – Komponist, Geistlicher und Diplomat – bereiste zeitlebens Europa und verband in seiner Musik italienische, französische und deutsche Einflüsse zu einem individuellen Stil. Die Oper basiert auf Ludovico Ariostos berühmtem Roman über den rasenden Ritter Roland, der zwischen Liebeswahn und Heldentum schwankt.
Aus alt mach neu
Zu guter Letzt: Warum neue Musiknummern schreiben, wenn die alten sich noch immer größter Beliebtheit erfreuen? Unter der Bezeichnung „Pasticcio“ verbirgt sich eine vor allem in der Barockzeit häufig genutzte Musikpraxis, in der Kompositionen eines oder mehrerer Komponisten zu einem neuen Werk zusammengesetzt werden. Ein solches ist „Hotel Metamorphosis“, das Starregisseur Barrie Kosky bei den Salzburger Festspielen inszeniert. Das Pasticcio, das auf Musik von Vivaldi beruht, blickt auf die schier unendliche Vielfalt der mythologischen Welt Ovids und stellt diese den wundersamen Ereignissen der heutigen Zeit gegenüber.
Sa, 31. Mai 2025 19:30 Uhr
Premiere
Musiktheater
Cavalli: Il Giasone
Tage der Barockmusik
Termintipp
Fr, 06. Juni 2025 18:30 Uhr
Premiere
Musiktheater
Vivaldi: Hotel Metamorphosis
Salzburger Pfingstfestspiele
Sa, 07. Juni 2025 14:30 Uhr
Premiere
Musiktheater
Keiser: Octavia
Händel-Festspiele Halle
Termintipp
Mo, 23. Juni 2025 19:00 Uhr
Premiere
Musiktheater
Steffani: Orlando generoso
Musikfestspiele Potsdam Sanssouci