Mögen einfach dahererzählte Geschichten mit ihrer inhaltlichen Klarheit für den Moment unterhaltsam sein, fesseln uns die rätselhaften oft für lange Zeit. In E. T. A. Hoffmanns „Der Sandmann“ oder den Erzählungen Franz Kafkas entdeckt man immer wieder neue Deutungsmöglichkeiten. Nicht zu reden von Edgar Allen Poes Kurzgeschichte „Der Untergang des Hauses Usher“, in der sich das Unbehagen ebenfalls aus den inhaltlichen Leerstellen speist, die dem Leser den Boden vertrauter Verlässlichkeit unter den Füßen wegziehen. Philip Glass’ 1988 uraufgeführte Oper „The Fall of the House of Usher“ lässt die vielen Andeutungen in Poes Erzählung noch vager erscheinen. Mit den Augen Williams, der nach vielen Jahrzehnten seinen Jugendfreund Roderick auf dessen maroden Landsitz Usher besucht, taucht das Publikum ein in ein Panorama des Zerfalls. Der Hausherr ist nervlich gereizt und von Krankheit gezeichnet. Hat er womöglich seine Zwillingsschwester lebendig begraben? Die aus wenigen Motiven aufgebauten, repetitiven instrumentalen Flächen schreiben im steten Wandel die halluzinatorischen Perspektivverschiebungen des Textes musikalisch fort.
Glass: The Fall of the House of Usher
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