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Buchrezension: Reinhard Ermen – Felicitas Timpe. Karlheinz Stockhausen und John Cage, München 1972

Freunde für einen Abend

Reinhard Ermen wirft Schlaglichter auf die Fotografin Felicitas Timpe und ihren berühmten Schnappschuss von Karlheinz Stockhausen und John Cage.

vonSören Ingwersen,

Karlheinz Stockhausen und John Cage – zwei Koryphäen der Neuen Musik, die in ihren ästhetischen Grundhaltungen so weit auseinanderliegen, dass Stockhausen einmal zu Protokoll gab: „Ich habe immer an seiner Musikalität gezweifelt, seit ich ihn kenne. Er hat keine innere Vision: Er hört nicht.“ Und doch sieht man beide Männer auf einem Foto in freundschaftlicher Pose, lachend, zugewandt, mit Cages Hand auf Stockhausens Schulter. Das Foto entstand 1972 im Rahmen des die Olympischen Spiele begleitenden Festivals „Musik/Film/Dia/Licht“ in München. Bei der Premierenfeier zu Stockhauses Parkmusik „Sternklang“ im Festzelt des Englischen Gartens, einen Tag bevor Cage seine Tonbandmusik „Birdcage“ beim Bayerischen Rundfunk präsentieren wird und sechs Tage vor den Terroranschlägen der Gruppe „Schwarzer September“ sitzen die beiden Komponisten, die sich bereits seit 1954 kennen, in ausgelassener Stimmung zusammen, während die Fotografin Felicitas Timpe diesen Moment in einer Reihe von Schwarz-Weiß-Fotos festhält.

Karlheinz Stockhausen (l.) und John Cage in einem Festzelt im Englischen Garten am 29. August 1972
Karlheinz Stockhausen (l.) und John Cage in einem Festzelt im Englischen Garten am 29. August 1972

Felicitas Timpe blickte hinter die Posen

Vier davon sind im neusten Band der Buchreihe „Ein Bild und seine Geschichte“ des Schirmer/Mosel-Verlags abgedruckt, in dem der Kunstkritiker und Musikwissenschaftler Reinhard Ermen auf 15 Textseiten Schlaglichter auf den situativen Kontext der Bildmotive, auf das Verhältnis der beiden Avantgarde-Komponisten zueinander, aber auch auf die Persönlichkeit der 2006 verstorbenen Felicitas Timpe wirft. Als offizielle Fotografin der Bayerischen Akademie der Wissenschaften und der Bayerischen Akademie der Schönen Künste gilt Timpe, die rund 1,3 Millionen Foto-Negative hinterlassen hat, als wichtige Zeitzeugin der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Ihre „Schnappschüsse“ – wie die von Stockhausen und Cage – zeigen die Menschen hinter den Posen und sind zugleich Ausdruck des großen Vertrauens, das die abgebildeten Personen ihr entgegenbrachten.

Felicitas Timpe. Karlheinz Stockhausen und John Cage, München 1972. Ein Bild und seine Geschichte
Reinhard Ermen
Schirmer/Mosel, 40 Seiten
24,80 Euro

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