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Porträt Renaud Capuçon

Violine als Leidenschaft

Renaud Capuçon ist Geiger, Festivalintendant und bald auch Professor. Seine Antriebskraft ist große Neugier, sein Energie­spender die Familie.

Nichts dürfte für Renaud Capuçon schlimmer sein, als dass dem „Instrument seines Lebens“ etwas zustößt. Umso gewagter scheint es, dass der Geiger seine wertvolle Guarneri del Gesù „Panette“ von 1721 zuhause nicht unter Verschluss hält. Stattdessen spielt er in Anwesenheit seines Sohnes täglich auf der Preziose, die ihn schon bei der ersten Begegnung wegen ihres „wundervollen Klangs“ faszinierte. „Zum Arbeiten gibt es in unserer Wohnung keinen ‚heiligen’ Platz“, erklärt Capuçon. „Wenn ich übe, kommt und geht Elliot, findet mein Tun ganz normal.“ Auch ansonsten bemühe er sich, seine Arbeit so wenig wie möglich von Sohn und Frau, der Fernseh-Journalistin Laurence Ferrari, abzukoppeln. „Mein Agent weiß, dass ich nicht länger als acht Tage weg will. Das Zusammensein mit meiner Familie gibt mir viel Kraft.“ Sein privates und professionelles Leben in Einklang zu bringen, findet er eine Frage der Organisation. Streng genommen trennt er aber nicht zwischen beiden. „Violine zu spielen ist mein Beruf und meine Leidenschaft. Was damit zu tun hat, empfinde ich nie als Last.“

So lässt sich erklären, wie Capuçon die ersten Jahre am Pariser Konservatorium verkraftete. Ab dem Alter von 13 fuhr er jede Woche allein mit dem Zug von seiner Heimatstadt Chambéry am Fuß der Savoyer Alpen nach Paris, um dort von Montag bis Mittwoch ganztägig Unterricht zu nehmen und abends bei seiner Gastfamilie todmüde ins Bett zu fallen. „Das war anstrengend, aber meine eigene Entscheidung“, erinnert sich der 1976 Geborene, der die restliche Zeit daheim bei seinen Eltern weiterlernte, die außer einem Faible für Klassik nichts mit Musik verband. „Entsprechend eifrig war ich bei der Sache.“ An diesem Enthusiasmus hat sich auch in den Jahren danach nichts geändert. Auf das Geigen-Studium in der französischen Hauptstadt folgte die Fortsetzung seiner Ausbildung in Berlin bei Lehrern wie Thomas Brandis oder Isaac Stern. Parallel dazu sammelte er etwa als Konzertmeister des Gustav Mahler Jugendorchesters Bühnenerfahrung, baute sein Repertoire aus, das mit Brahms, Schumann und Beethoven nach eigener Aussage „sehr deutsch“ ist, und profitierte vom Zusammentreffen mit Koryphäen wie Abbado oder Barenboim, die ihm „Vertrauen schenkten“ und ihn „aufbauten“.

 

Er möchte junge Talente fördern und aufbauen

 

Rückblickend habe er sich in Ruhe entwickeln und zu den für ihn richtigen Zeitpunkten einen Schritt nach dem anderen tun können. „Das ist leider immer seltener der Fall“, bedauert Capuçon. „Unsere heutige Konsumgesellschaft verlangt ständig nach neuen Stars. Entsprechend schnell lancieren Plattenlabels junge Talente und lassen sie wieder fallen, wenn der Erfolg ausbleibt.“ Für ihn ist das ein Grund, selbst vielversprechenden Nachwuchs zu fördern. Und das nicht nur im Fall seines fünf Jahre jüngeren Bruders Gautier, dem er auf seinem Weg zum Cello-Virtuosen mit Tipps und Kontakten einige Türen habe öffnen können. Ab 2014 wird Renaud Capuçon alle zwei Wochen als Professor in Lausanne unterrichten. Außerdem setzt er beim Osterfestival in Aix-en-Provence, das er im Frühjahr 2013 als Leiter aus der Taufe gehoben hat, auf den musikalischen Dialog der Generationen. „Bei der Premiere hatten wir eine Auslastung von 83%“, freut sich Capuçon. „Grund ist wohl der Termin, an dem es wenig Konkurrenz gibt. Außerdem lade ich nur Leute auf Top-Niveau ein. Nicht zuletzt ist Aix als Stadt sehr attraktiv.“

Immerzu Abwechslung im Repertoire

Diese neuen Aufgaben ändern nichts daran, dass Capuçon weiterhin selbst zu seiner Geige greift, bei der jedes Jahr ein Stück mehr gemeinsame Entwicklung bedeute. Auf seine Saint-Saëns-Einspielung „La muse et le poète“, die im Herbst 2013 bei Erato erschien, folgen bald Stücke von Bach und dem lettischen Komponisten Pēteris Vasks. Hinzu kommen regelmäßig Konzerte, bei denen Kammermusik „als essenzielle Schule des Spielens“ nicht fehlen darf. Begleiter ist dabei regelmäßig sein Bruder Gautier. Doch damit keine Langeweile aufkommt, sind ihm auch andere Partner auf dem Podium wichtig. „Meine Neugier ist groß“, so Capuçon. Deshalb sei sein Repertoire noch lange nicht ausgereizt, störe ihn ein Wechsel von Orchestern und Orten bei seinen Tourneen nicht. Und das in Deutschland und Österreich, wo er Anfang 2014 konzertiert, noch weniger als anderswo. „In diesen Ländern besitzt das Publikum eine bessere Vorbildung, hört anders zu.“ 

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