Sie betritt eine halbdunkle Bühne – und erfüllt sie noch vor dem ersten gesungenen Ton mit einem Glanz, der unsere gebannte Aufmerksamkeit auf sich zieht. Nikola Hillebrand verfügt fraglos über jenes Bühnengen, das ein Mensch hat oder nicht. Als Studentin der Hochschule für Musik und Theater München hat die Sopranistin dennoch mit Fleiß und Konsequenz an ihrer stimmlichen Vervollkommnung gefeilt. Sie startete ihre Karriere früh mit jenen verspielten, Koloraturen zwitschernden Mädchentypen, die man gemeinhin mit dem Soubrettenfach assoziiert: die Papagena in „Die Zauberflöte“, die Marzelline in „Fidelio“. Es folgten – nun schon am legendären südenglischen Glyndebourne Festival – Mozarts Barbarina und Blondchen. Da hatte Hillebrand die Chance, jene Soprankolleginnen zu beobachten, die in den größeren lyrischen Sphären ihre berückenden langen Linien sangen. Als ihre Vorbilder nennt die Sängerin Lucia Popp und Elisabeth Schwarzkopf. Mit ihnen teilt sie die Komponistengötter Mozart und Strauss.
Stimme mit edlem Silbertimbre
Als Traum offenbart die in Bayern geborene Sängerin eine der wichtigsten Partien der früh verstorbenen Lucia Popp: die Arabella von Richard Strauss. Einstweilen fühlt sich Hillebrand pudelwohl mit deren kleiner Schwester Zdenka. Gerade so, wie sie die funkelnde Musetta noch der Mimì vorzieht. Doch längst ist sie bei der Wahl ihrer Rollen behutsam den entscheidenden Schritt von den Mädchen zu den Frauen gegangen: Statt der Papagena singt sie nun die Pamina, statt des locker flockigen Blondchens ist sie zur ernst liebenden Konstanze geworden. Die stimmlichen Qualitäten beider weiblichen Wesen bewahrt sich Nikola Hillebrand indes bewusst: In Carl Maria von Webers „Freischütz“ schlüpft sie abwechselnd in die Kostüme des Ännchens und der Agathe, letztere sang sie in der Premiere der Bregenzer Festspiele 2024 und begeisterte mit dem edlen Silbertimbre ihrer Stimme, die uns unmittelbar berührt – nicht nur in der Oper, sondern auch in der Welt von Lied und Oratorium, in der sie die Worte so behutsam zu wägen weiß.
DVD-Tipp:

Weber: Der Freischütz
Liviu Holender (Ottokar), Franz Hawlata (Kuno), Nikola Hillebrand (Agathe), Katharina Ruckgaber (Ännchen), Mauro Peter (Max), Bregenzer Festspielchor, Prague Philharmonic Choir, Wiener Symphoniker, Enrique Mazzola (Leitung), Philipp Stölzl (Regie). Unitel