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Porträt Niklas Jahn

Der Improvisator

Niklas Jahn, der neue Organist der Dresdner Frauenkirche, ist vom Barock über Atonalität bis zum Jazz in allen Stilen versiert.

vonChristian Schmidt,

Im Winter die Piste, im Sommer Wasserski, zwischendurch das Klettern in den Bergen, seit frühester Kindheit Leichtathletiktraining – dieser junge Mann kommt eigentlich aus einem musik- und religions­begeisterten Fuldaer Sporthaushalt. Gleichzeitig führten ihn seine Eltern als Achtjährigen ans Klavier, zeigten ihm drei Jahre später die Faszination der Orgel. Sein Talent wollte hinaus: Irgendwann entschied sich Niklas Jahn, professionell Musik zu machen. Und sein Tempo dabei ähnelt eher einer rasanten Bobfahrt als einem Spaziergang.

Zum Beginn des neuen Kirchenjahres wird Niklas Jahn mit 27 Jahren neuer Organist an der Frauenkirche in Dresden. Eine „kleine Sensation“ nennt er das selbst. „Meine Talente waren schon immer Ehrgeiz und Durchhaltevermögen, das hat mich sowohl für den Sportsgeist als auch für die Musik geprägt“, sagt Jahn, der in Mainz und Freiburg Kirchenmusik, Orgelimprovisation und Chorleitung studierte und derzeit noch seine Konzertexamina ablegt.

Gleichwohl ist der vielseitige Osthesse Preisträger mehrerer international renommierter Wettbewerbe, vielfacher Stipendiat und gibt sein Wissen bereits als Dozent weiter. Zudem tourt er fleißig durch die ganze Welt und gibt international Konzerte bis hin nach Japan. Ob er das alles jetzt noch schafft, ist mehr als fraglich, denn die neue Stelle an der Frauenkirche wird ihn völlig ausfüllen. Zweimal täglich soll im geschichtsträchtigen Dresdner Gotteshaus die Kern-Orgel in Andachten traktiert werden, dazu kommen die regulären Gottesdienste und Konzerte. Nicht alle „Dienste“ muss der Frauenkirchenorganist bewältigen, aber das Pensum ist enorm.

Das liegt vor allem daran, dass die Frauenkirche für Dresden nicht irgendein Gotteshaus ist. Sie hat nicht mal eine eigene Gemeinde. Vielmehr gilt sie nach ihrem sechzig Jahre währenden Dornröschenschlaf als Mahnmal für die Kriegszerstörung seit ihrem Wiederaufbau 2005 international nunmehr als Symbol für Frieden und Verständigung. Daher versteht sie sich zwar auch als Ort der Verkündigung, ist zugleich aber eine der prominentesten Veranstaltungsstätten in Dresden und längst auch wichtigster Fixpunkt des längst wieder boomenden Städtetourismus.

Im besonderen Rampenlicht

Dass sich Niklas Jahn für das gewichtige Amt, das seit dem unerwarteten Tod des Vorgängers Samuel Kummer im April vakant war, gegen 28 Konkurrenten und drei Finalisten durchsetzen konnte, ist tatsächlich so etwas wie eine Sensation, denn nicht nur er schwärmt für diese „Traumstelle, nach der sich viele Organisten sehnen“. Frauenkirchen­organist zu sein heißt auch immer, im besonderen Rampenlicht zu stehen, weil es eines der wichtigsten kirchenmusikalischen Ämter des Landes ist. Und so richtig glauben konnte Niklas Jahn sein Glück auch erst nach einer Weile: „Ich habe mich beworben in dem Wissen, dass ich vielleicht die musikalischen Fähigkeiten mitbringe, aber dass ich eine realistische Chance habe, war eher unwahrscheinlich, vor allem wegen meines Alters.“

Dass es trotzdem geklappt hat, liegt nach einhelliger Meinung vor allem an Jahns Improvisationskünsten, für die er allüberall besonders gerühmt wird. Sie erschöpfen sich nicht im liturgischen Spektrum als schnödes Choralvorspiel oder Modulationshilfe. Vielmehr nutzt Niklas Jahn das Improvisieren auch als Interpretation von Predigten oder Psalmtexten. „Das baut einen ganz eigenen Meditationsraum auf“, ist Jahn überzeugt.

Möglich ist das freilich nur, weil er vom Barock bis zur Atonalität und zum Jazz alle Stile beherrscht. In Toulouse wurde er zuletzt dafür gefeiert, wie er zu einem live gezeichneten Comic improvisierte. Seine Vision ist denn auch, in Dresden ein Festival für diese seit Urzeiten gepflegte Kunst zu gründen. Denn nicht zuletzt kann erst die Improvisation die Grenzen der Orgelmusik ausreizen und sie auch für ein neues Publikum attraktiv machen. Niklas Jahn hat also noch viel vor.

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