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Porträt Gabriel Venzago

Raus aus den Nischen

Gabriel Venzago, Chefdirigent der Bodensee Philharmonie, will nichts von Elite oder Bildungsbürgertum wissen, sondern Musik für alle machen.

vonFrank Armbruster,

Der Vater ist Dirigent, die Mutter Solobratscherin in einem Opernorchester, da ist eine Musikerkarriere fast schon vorgezeichnet. Ganz so einfach war es im Falle von Gabriel Venzago allerdings nicht. Sein Vater Mario Venzago, der unter anderem Chefdirigent des Sinfonieorchesters Basel und der Göteborger Symphoniker war, riet ihm davon ab, in seine Fußstapfen zu treten. Das sei eine unsichere Sache, und überhaupt: „So ein knallharter Job. Auf keinen Fall Dirigieren!“ Genützt hat es nichts. Nachdem der Filius als Statist erstmal Theaterluft geschnuppert hatte, war es um ihn geschehen. Das Theater­virus habe ihn so gepackt, erzählt Venzago, dass er gewusst habe: „Das ist meine Welt.“

Seine musikalische Ausbildung hatte früh begonnen. Mit fünf Jahren Klavierunterricht, später kamen Klarinette und Cello dazu, als Pianist schaffte er es im Duo sogar bis zum Bundeswettbewerb „Jugend Musiziert“. Eine Karriere als Instrumentalist kam gleichwohl nicht infrage. Er habe, sagt er, diesen Wunsch gehabt, mit Sängern zu arbeiten, mit Szene. So studierte er nach dem Abitur Dirigieren in München und Stuttgart und war schon während des Studiums am Festspielhaus in Baden-Baden und bei den Opernfestspielen Heidenheim als Korrepetitor tätig. Was er dort gelernt habe, sei das A und O seiner Kapellmeisterausbildung gewesen. „Das waren meine Lehrjahre am Klavier. Wie man mit einem Sänger atmet, wie Freiheit und Rhythmus zusammengehen. Wie man innerhalb des Gerüsts eines Werks Musik macht. Ohne das könnte ich heute wahrscheinlich nicht dirigieren.“

Gabriel Venzago: „Wir wollen das Sehnsuchtsorchester sein“

Sein Debüt als Dirigent gab er im Rahmen des Studiums am Stuttgarter Wilhelma-Theater, „Orlando Paladino“ von Joseph Haydn. Und als er dann mit Mitte zwanzig eine feste Stelle als assistant conductor bei den Münchner Symphonikern erhielt, war auch sein Vater beruhigt – und wurde fürderhin sein Mentor. Allerdings war er in München weg von seinem geliebten Theater – freilich nur kurz, denn nach zwei Jahren führten ihn seine ersten Kapellmeisterstellen an die Theater nach Hildesheim, Schwerin und Salzburg. Dieses Hin und Weg von der Oper sei charakteristisch für seine Karriere, sagt Venzago, der nun mit 34 Jahren erstmals Chefdirigent eines Symphonieorchesters ist: Seit 2023 leitet er die Bodensee Philharmonie, die bis vor kurzem noch Südwestdeutsche Philharmonie Konstanz hieß. Warum die Namensänderung? Sie seien, sagt Venzago, der kulturelle Nahversorger über die Grenzen hinaus. „Da ist südwestdeutsch nicht passend. Außerdem ist der Bodensee das Sehnsuchtsgebiet in Deutschland. Und wir wollen das Sehnsuchtsorchester sein“.

Er habe lange überlegt, ob es der richtige Schritt sei, ein reines Konzertorchester zu übernehmen, aber mittlerweile sei er heilfroh. Im Vergleich zu einem Opernhaus, so empfinde er es im Moment, gebe es hier mehr Flexibilität. Es sei einfacher, neue Programme und Formate zu entwerfen und umzusetzen. Und es gibt einiges, was Venzago seit seinem Antritt initiiert hat. Die Gesprächskonzerte etwa, bei denen er vor Beginn die Werke erklärt. Oder Konzerte speziell für Jugendliche. Und wie steht es mit Menschen, die einen anderen kulturellen Hintergrund haben? Wie kann man die als Sinfonieorchester ansprechen? Gabriel Venzago ist da optimistisch. Er glaubt fest daran, dass unsere klassische Musik ein gemeinsames Medium für Verständigung ist. „Die Frage ist nur, wie man dies transportiert, damit es diese Menschen auch erreicht.“ Aber auch die Struktur der Gesellschaft verändere sich. Was heute die Elite sei, fragt er sich, und ob diese Elite noch ins Konzert gehe. Man müsse, davon ist Venzago überzeugt, die klassische Musik in die Breite bringen, raus aus den bildungsbürgerlichen Nischen: das Konzert als kultureller Marktplatz, den jeder besuchen kann – das ist seine Vision von zeitgenössischer Musikkultur.

Dazu passt seine Vorstellung, welche Rolle ein Dirigent heute verkörpern sollte. Kein ­Maestro möchte er sein, sondern ein Musiker wie alle anderen. „Nach innen ein Teamplayer. Nach außen ein Botschafter, der sich für den Erhalt der klassischen Orchesterkultur einsetzt“.

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Time Travels

Werke von E. Schneider Wu Wei (Sheng), Christoph Enzel (Saxofon), Reinhold Friedrich (Trompete), Südwestdeutsche Philharmonie Konstanz, Gabriel Venzago (Leitung) Solo Musica

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