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Porträt Christina Pluhar

Improvisation ist alles

Die Lautenistin Christina Pluhar will keine Genregrenzen akzeptieren und mischt barocke Tänze mit Fado

vonChristian Schmidt,

Oft scheiden sich die Geister, wenn es um Crossover geht: Ob Cameron Carpenter Orgelmusik am eigens erfundenen Instrument erneuert oder Ragna Schirmer Händels Tastenkonzerte verjazzt – meist stehen sich Puristen und Neugierige ziemlich unversöhnlich gegenüber. Empört über Geschmacklosigkeiten die einen, mit spöttischem Neuzeitgeist entdeckend die anderen. Erstaunlicherweise finden sich bei Christina Pluhar weder im Fach- noch im Liebhaberpublikum widerstreitende Elemente: Mit ihrer Annäherung an die Alte Musik vermag die Musikerin Skeptiker wie Kenner in unverkennbarer Begeisterung zu vereinen.

Ganz in schwarz erscheint sie auf der Bühne, die langen rotblonden Haare fallen ihr offen über die Schultern. Christina Pluhar, firm an Harfe, Laute, Barockgitarre und manch anderem, was die Zupfinstrumentenbauer noch bereithalten, liebt weniger die Provokation als vielmehr den Spaß, den sie selbst dabei empfindet, wenn sie mit ihrem 24-köpfigen Ensemble L’Arpeggiata barocke Musik durch gewagte Improvisationen in groovende Rhythmen kleidet – und für deren CD-Aufnahmen einen Preis nach dem anderen einheimst. Hier werden ohne stilistische Scheuklappen musikalische Freiheiten erstritten, die sich nur wenige Alte-Musik-Ensembles leisten. Überhaupt dieser Begriff: „Das klingt doch schon nach Verstaubung“, findet Pluhar. Und erfrischt das Genre, indem sie es sprengt.

Die Saitenkünstlerin lässt eine alte Tradition neu erklingen

Was indes keine Erfindung einer effekthungrigen Eventmanagerin ist, sondern Tradition hat. „Die Musiker des 17. Jahrhunderts haben alle improvisiert – und nichts anderes tun wir. Ich glaube, man kann niemanden wirklich ernst nehmen, der Authentizität für sich in Anspruch nimmt.“ Die meisten Regeln wurden zur Entstehungszeit nicht aufgeschrieben, je älter die Musik, desto weniger Informationen gibt es darüber, wie sie geklungen hat. „Wenn wir eine Partitur ansehen, haben wir nur Skelette vor uns.“

Auf musikalischer Reise durch den Mittelmeerraum

Christina Pluhar beschäftigt sich nicht nur mit Monteverdi oder Purcell wie auf ihren letzten Alben. Sie interessiert sich als Improvisationskünstlerin naturgemäß auch für volksmusikalische Wurzeln, forscht nach historischen Querverbindungen. Nach erfolgreichen Experimenten mit südamerikanischem Feuer ist eines der jüngeren Projekte die Kompilation „Mediterraneo“, für die sie aus so unterschiedlichen Stilen wie Fado, Fandango, Tarantella und schlichtem Volkslied quasi eine musikalische Landkarte des Mittelmeerraums entwarf. „Entstanden ist diese Idee eigentlich schon vor zehn Jahren, als wir eine CD mit Tarantella-Musik gemacht haben, die, wie der Name sagt, in Italien gegen Spinnenbisse helfen sollte. Nun gibt es im Süden des Landes eine griechische Minderheit, die sich zwar im Laufe der Jahrhunderte mit der Musik Italiens verbunden hat, aber immer noch einen alten griechischen Dialekt spricht.“ Diese kulturelle Vielfalt, die eigentlich ja etwas sehr Verbindendes hat, interessierte Christina Pluhar so sehr, dass sie nicht nur Fadosänger einlud, sondern auch nach Querverweisen ins Türkische suchte. Dabei fand sie zwei Musiker, die auf ganz urtümlichen, in Mitteleuropa unbekannten Zupfinstrumenten wahre Virtuosen waren und ihrerseits sehr über die hiesigen Verwandten staunten. „Die Musiker konnten kein Englisch, wir haben ausschließlich über die Musik und die Improvisation kommuniziert. Das prägt.“

Album Cover für Alla Napoletana

Alla Napoletana

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