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Porträt Alois Mühlbacher

Der Unermüdliche

Als Countertenor ist Alois Mühlbacher auf den Bühnen der Welt zu erleben. Dennoch kehrt der gebürtige Österreicher regelmäßig in seinen Heimatort Hinterstoder zurück.

vonPatrick Erb,

Für Alois Mühlbacher verschwimmen die Grenzen zwischen Privatleben und Profession, zwischen Vergangenheit und Gegenwart. Während eines Probenwochenendes im Stift St. Florian – jenem Ort, an dem seine Karriere bei den Sängerknaben vor über zwanzig Jahren begann, findet der österreichische Countertenor Zeit für ein intensives Gespräch über Berufung und Selbstverständnis.

Der Weg dorthin war intuitiv, beinahe zufällig: Mühlbacher kam mit „O du fröhliche“ zum Vorsingen ins Stift und ging mit der Gewissheit, „Musik zum ersten Mal wirklich zu empfinden“. Rasch entwickelte sich eine tiefe Bindung zum Gesang und der ehrgeizige Entschluss, ihm das Leben zu widmen. Einen tiefreligiösen Zugang zur Kirche hatte Mühlbacher nie, eher einen spielerischen. Als Ministrant im Heimatort Hinterstoder liebte er das Zeremoniell, beobachtete Pfarrer und Gemeinde und stellte die Erlebnisse zu Hause nach. Diese frühe Affinität zur darstellenden Kunst prägt sein Schaffen bis heute.

Als Erster Knabe in der „Zauberflöte“ kam er früh mit der Oper in Berührung. Es folgten Rollen wie der junge Hirte im „Tannhäuser“ oder Yniold in „Pelléas et Mélisande“. Bereits mit vierzehn stand er auf großen Bühnen – von Luxemburg über Tokio bis zur Wiener Staatsoper, die aufgrund seiner Liebe, mit ungewöhnlichem Repertoire zu experimentieren, aufmerksam wurde.

Große Vorbilder

Früh begann er mit Franz Farnberger, seinem Mentor bei den Sängerknaben, romantisches Liedrepertoire zu erarbeiten, etwa von Richard Strauss, Korngold oder Mahler. Auch virtuose Koloraturarien wie die der Königin der Nacht oder der Zerbinetta gehören zu dieser prägenden Phase. Große Koloratursoprane wie Rita Streich, Edita Gruberová oder Diana Damrau wurden dabei zu Vorbildern. Die Verehrung des Kunstlieds ist geblieben, doch der Zugang hat sich verfeinert: „Ich arbeite zuerst mit dem Text und mit dem Gedicht. Erst dann mit der Musik. Der emotionale Kern bleibt: Über Musik kann ich ausdrücken, was mir im Gespräch nicht gelingt.“

Alois Mühlbacher interpretiert neben barockem Repertoire auch romantisches Liedgut
Alois Mühlbacher interpretiert neben barockem Repertoire auch romantisches Liedgut

Dass er seine Karriere der hohen Lage widmen würde, war keineswegs vorgezeichnet. „Als Kind“, gesteht er, „mochte ich die Countertenorstimme gar nicht, ich fand sie künstlich. Aber als mir bewusst wurde, dass ich das hohe Singen vielleicht verlieren könnte, wurde mir klar, wie unvorstellbar dieser Verlust wäre.“ Der Übergang vom Knabensopran zum Countertenor war herausfordernd und mit Studien in Wien und London und einer Umstellung der Gesangstechnik verbunden.

Ambitionierte Ziele

Heute ist insbesondere die Barockoper zentral für Mühlbacher, der auch ein Schauspielstudium in Linz absolvierte. Das Ergebnis überzeugt, etwa im Theater an der Wien oder bei Bayreuth Baroque, wo er dieses Jahr in Francesco Cavallis „Pompeo Magno“ debütieren wird. Eine besondere Liebe verbindet ihn mit Georg Friedrich Händel, dessen Heldenrollen er bewundert: Sie durchlaufen stets eine Entwicklung. Musikalisch wie darstellerisch. Figuren wie Rinaldo, Ruggiero oder Sesto zu verkörpern, Werke wie Bachs h-Moll-Messe oder Monteverdis „Marienvesper“ zu gestalten, das ist Mühlbachers Traum.

Mit dem Ensemble Pallidor, das er 2023 gemeinsam mit Farnberger gründete, ist er diesem Ziel näher gerückt. Vivaldi, Purcell, demnächst Caldara und Hasse: Projektweise widmet sich das Ensemble neuem Repertoire – stets angepasst auf die individuelle Stimme. Im Herbst 2025 erscheint das Debütalbum „broken eyes“ mit Alt-Solokantaten von J. S. Bach. Die künstlerische Freiheit ist dabei für Mühlbacher die größte Freude. Seit 2023 bringt er zudem als künstlerischer Leiter des traditionsreichen Barockfestivals St. Pölten auch eigene dramaturgische Ideen ein und wagt Brückenschläge zwischen Barock und Moderne. Zahlreiche experimentelle Arrangements zeugen davon. Die Verbindung zur Heimat bleibt zentral. Regelmäßig kehrt Mühlbacher nach Hinterstoder zurück. Die Natur, die Stille, das Skigebiet. All das ist Teil seiner Identität. Und auch dort spielt die Musik eine Rolle, etwa bei einem kleinen, mit Mitstreitern veranstalteten Sommerfestival im Ort. Wenn der unermüdliche Countertenor doch einmal eine Pause braucht, findet er Zerstreuung in der bildenden Kunst und im Theater. Oder beim Laufen und Klettern in den Bergen.

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