Wohlgenährt vom Applaus zahlreicher Vorstellungen verfallen die Opernhäuser während der warmen Jahreszeit in ihren verdienten Sommerschlaf. Für Opernfans ist das jedoch lang kein Grund, Verzicht zu üben, denn während hier ein Vorhang fällt, hebt sich dort ein anderer: Die Zeit der Opernfestivals ist da und bietet jene magischen Momente, in denen Musik, Theater und Sommerluft zu einem berauschenden Cocktail verschmelzen, und in der Liebhaber und Neugierige die so vertraute Opernwelt mal ganz anders erleben können. Die Festivalvielfalt könnte dabei kaum größer sein. Ob Oper unter freiem Himmel, vor mittelalterlichen Fassaden, auf spektakulären Seebühnen oder in antiken Arenen – hier ist für jeden etwas dabei.
Gerade für architektonisch und geschichtlich Interessierte bieten beispielsweise die DomStufen-Festspiele ein treppenreiches Bühnenbild, das sich wie kein anderes in das altehrwürdige Erfurter Stadtbild zwischen Dom und Severikirche integriert. In diesem Sommer wird hier Puccinis „La bohème“ ihre lieblich-dramatischen Klänge in den Thüringer Nachthimmel hinaus schmettern. Bei den Opernfestspielen Heidenheim hingegen führt ein ungewöhnlicher Opern-Doppelabend zunächst mit Puccinis heiterem „Gianni Schicchi“, dann mit Strauss’ fataler „Elektra“ in die zerfallene Ruine des Rittersaals auf Schloss Hellenstein.
Exzellent erhalten sind dagegen die Überreste der antiken Arena di Verona, die jährlich zur Austragungsstätte eines der opulentesten Opern-Großereignisse der Saison mutiert. Hochkarätig besetzt, erklingen zeitlose Klassiker von Verdi und Bizet, umgeben von archaisch-römischer Kulturgeschichte und italienisch-mediterranem Flair. Ideal für einen spektakulären Opern-Urlaubstripp in den Süden.
Oper mit Seeblick
Stets spektakulär zeigen sich natürlich auch die Bregenzer Festspiele. Auf der größten Seebühne der Welt ist hier Bühnenmechanik vom Feinsten zu erleben. Auf dem Plan steht erneut Carl Maria von Webers „Freischütz“ in der letztjährig gefeierten, schauerromantischen Inszenierung von Philipp Stölzl. Wem der Bodensee zu weit weg ist, der findet im Norden, in der Geburtsstadt Webers ein zwar etwas kleineres, aber keinesfalls minder atmosphärisches Pendant: Auf der am großen See gelegenen Freilichtbühne im alten herzoglichen Schlossgarten präsentieren die Eutiner Festspiele mit Bernsteins „West Side Story“ und Mozarts „Zauberflöte“ zwei – so schreiben die Festspiele selbst – exquisite Mega-Produktionen“. Sonnenhut nicht vergessen.

Wer wiederum Berge dem Wasser bevorzugt, findet das passende Panorama bei den Tiroler Festspielen Erl. Im von Gipfeln, Almen und Kühen umrahmten Festspielhaus geht hochklassiges Musiktheater von Bartók und Poulenc über die Bühne. Noch exklusiver, noch schroffer gibt sich die Oper im Steinbruch St. Margarethen im österreichischen Burgenland. Die steilen steinernen Kulissen sind ein wahrer Hingucker. Unter freiem Himmel empfiehlt es sich allerdings, das mitunter launische Bergwetter im Auge zu behalten – wobei ein kleiner Schauer gerade beim „Fliegenden Holländer“ der inszenatorischen Illusion sicher keinen Abbruch tut.
Hochgenuss für Hartgesottene
Vergleichsweise „normal“ mit Parkett, Rang und Garderobe, geht es bei den traditionellen Münchner Opernfestspielen zu, die jährlich als finaler Höhepunkt die Spielzeit an drei großen Häusern der bayerischen Landeshauptstadt – Nationaltheater, Prinzregententheater und Cuvilliés-Theater – beschließen. Hier stehen weniger die Spielstätten als vielmehr großartige Opernproduktionen im Fokus: in diesem Jahr etwa ein neuer „Don Giovanni“ von Regisseur David Hermann mit Konstantin Krimmel in der Titelrolle, sowie Gabriel Faurés einzige, heute selten gehörte Oper „Pénélope“.
Großartigkeit ist das Stichwort, das von München direkt zum Grünen Hügel nach Bayreuth führt. Zelebrierter Wagner-Wahnsinn heißt in diesem Fall: Fünf-Stunden-Opern, musikalische Ekstase bis ins Letzte – und keine Klimaanlage. Diesmal eröffnen die „Meistersinger“ unter Daniele Gatti, inszeniert von Matthias Davids. Hochgenuss für Hartgesottene mit stets exquisiter Weltstar-Besetzung. Man muss es mal erlebt haben.
Kurzum: Wer nicht an schattenlosen Seeufern als sonnengeröstetes Mücken-Dinner enden will, hat die Wahl, ob er sich lieber bei 45 Grad in der unklimatisierten Wagner-Festspielsauna einen Hitzschlag holt, oder bei Wind und Wetter in entlegenen Steinbrüchen absäuft. – Spaß muss sein. Mögen die Festspiele beginnen!