Startseite » Interviews » instaview » „Gegen Stress reichen 500 Kilogramm Pferd völlig!“

Interview: Selina Ott erzählt im #InstaView die Story hinter dem Bild

„Gegen Stress reichen 500 Kilogramm Pferd völlig!“

Die Story hinter dem Bild: Im InstaView stellt sich Selina Ott einer geheimen Auswahl ihrer eigenen Instagram-Postings – und bekommt Gelegenheit zum Kommentar.

vonPatrick Erb,

Durchstreift man Selina Otts Instagram-Profil zwischen Konzertleben und grandioser Garderobe, offenbart sich neben dem Instrument eine weitere große Passion: die Pferde. Doch von Anfang an stand für die österreichische Trompeterin fest, dass dem klingenden Blech ihr Beruf gehört und den gutmütigen Vierbeinern ihr Herz. Das concerti InstaView zeigt, was die Hobbyreiterin und Katzenretterin sonst noch in ihr Herz geschlossen hat.

Ich habe bei Roman Rindberger studiert, und er hat mit uns immer wieder Atem-Workshops gemacht, hier auf seiner Dachterrasse. Wir übten Techniken, die den CO₂- oder Sauerstoffgehalt im Blut regulieren – welcher Wert, müsste ich nochmal nachlesen – und den Körper auf Stress vorbereiten. Danach ging’s ins Eisbad, natürlich nur unter Aufsicht, denn das ist nicht einfach kalt, es tut richtig weh. Vielen hilft das enorm. Ein Semester lang wurden unsere Vitalwerte wissenschaftlich begleitet, und man sah, wie stark Atemübungen Puls, Blutdruck und Herzratenvariabilität beeinflussen. Mein Körper hat allerdings schlecht reagiert: Nach dem Eisbad gingen die Werte in den Keller, und ich fühlte mich noch Tage später nicht gut. Deshalb habe ich es gelassen – heiß duschen ist eher mein Ding. Spannend war es trotzdem; freiwillig setzt man sich ja sonst nicht in ein Eisbad. Und ehrlich gesagt: Gegen Stress brauche ich die Kälte nicht – 500 Kilogramm Pferd reichen völlig.

***

Das ist bei Schagerl in der Werkstatt. Ich spiele die Instrumente und werde von der Firma gesponsert – ich bin dort quasi groß geworden, fast wie in einer zweiten Familie. Mein Papa ist Trompetenlehrer, hat immer Schagerl gespielt und mich schon als Kind mitgenommen; die Leute dort haben mich aufwachsen sehen. Robert Schagerl ist das Gesicht der Firma, der Tüftler in der Werkstatt. An dem Tag haben wir an B- und C-Trompeten gearbeitet. Zuvor hatten wir bereits das „1961“-Modell zum Firmenjubiläum entwickelt. Ein jährlicher Service ist wichtig, aber die eigentliche Feinjustierung passiert im Instrumentenbau. Man kann extrem viel variieren – Material, Bohrung, Mensur, Form – alles handgemacht, mit hundertstel Millimeter feinen Unterschieden, die man als Musikerin spürt. Jede Trompete fühlt sich anders an, und man muss finden, welche zu einem passt. Außerdem muss man ein neues Instrument einspielen: Nach einem halben Jahr intensiven Übens wird es klanglich offener und das Spielgefühl verändert sich.

***

Das Kleid ist von Katharina Reuschel, einer jungen Wiener Designerin. Sie hat alles von Hand gemacht, die Blumen einzeln drangenäht und arrangiert – das steckt irre viel Arbeit drin. Es ist recht durchsichtig, aber es bedeckt, wo es bedeckt sein soll. Es stimmt, meine Garderobe ist sehr abwechslungsreich, sonst sähen alle Fotos gleich aus. Gemeinsam mit ihr habe ich auch ein grünes Glitzerkleid mit Swarovski-Steinen kreiert, das nach meinen Wünschen designt und auf die Konzertsäle abgestimmt ist, in denen ich in der Saison gespielt habe, etwa den hellgrünen Saal der Bremer Glocke. Auch das Stück – romantisch oder zeitgenössisch – spielt eine Rolle. Auf der Bühne kann man ja viel mehr ausleben als im Alltag. Dort bin ich sehr schlicht unterwegs – Jeans, möglichst einfach. Auf der Bühne darf es glitzern und extravagant sein.

***

Das Wichtigste neben der Trompete: Pferde! Auf dem Foto sieht man ein Trainingspferd von der Ranch, auf der ich mein Jungpferd gekauft habe – aufgenommen bei der Prüfung für das Western Riding Zertifikat. Da bin ich „hineingerutscht“, nachdem ich mir eine zweijährige Quarter-Stute gekauft hatte; zuvor bin ich nur mit meinem Lipizzaner Conversano Dressur geritten, meinem Herzenspferd. Ich war schon als Kind völlig pferdebegeistert, durfte aber lange nicht reiten aufgrund der Verletzungsgefahr.. Über meine Großeltern kam dann der Durchbruch: Sie haben mir heimlich eine Reitstunde geschenkt. Danach war ich so begeistert, dass meine Mutter mir nicht mehr das Herz brechen konnte. Heute stehen die Pferde direkt bei meiner Wohnung am umgebauten Hof. Der Stall ist ein reiner Rückzugsort. Von Anfang an war klar, dass die Trompete die Profession ist und die Pferde das geliebte Hobby bleiben. Eine Trainerausbildung habe ich verworfen, um mir die Freude nicht zu nehmen. Ob die Pferde meine Musik mögen? Möglicherweise. Vorgespielt habe ich ihnen allerdings noch nie.

***

Hier war ich mit einem Freund meines Opas unterwegs, der lange bei der Bergrettung war und in der Wachau viele Kletterrouten erschlossen hat – ein echter Profi. Er hat mich allerdings ein bisschen überfordert. Wir sind den ganzen Felsen mit mehreren Überhängen geklettert, und mir fehlte als Anfängerin schlicht die Kraft. In einem Überhang blieb ich hängen, konnte weder vor noch zurück, und er musste mich schließlich den gesamten Felsen hinaufziehen. Auf dem Foto wirkt alles souverän, tatsächlich war es eine hilflose und sehr stressige Situation, in der ein Sturz richtig wehgetan hätte. Seitdem war ich nicht mehr klettern. Mit leichteren Routen würde ich es vielleicht noch einmal probieren, aber Überhänge brauche ich nicht mehr.

***

Auf dem Bild sieht man mich mit Håkan Hardenberger, meinem großen Vorbild seit Kindheitstagen. Durch meinen Papa, der Trompeter ist, kannte ich seine Aufnahmen schon früh und war oft in Konzerten, wenn Håkan in Wien spielte. Das Foto entstand backstage im Musikverein: Ein Freund meines Vaters, Trompeter bei den Tonkünstlern, fragte ihn, ob ich ihm kurz vorspielen dürfe. Håkan war sofort offen und herzlich. Danach hörten wir lange nichts voneinander. 2024 traf ich ihn wieder in Grafenegg, und später durfte ich im Wiener Konzerthaus HK Grubers „Aerial“ spielen – ein Werk, das ursprünglich für ihn geschrieben wurde und das ich ihm unbedingt einmal vorspielen wollte.

***

Meine Katze ist eine reine Zufallsbegegnung: Eines Tages tauchte sie als winziges Kätzchen im Stall auf, kaum 400 Gramm schwer. Meine Mutter sagte nur: „Wenn du sie erwischst, kannst du sie mitnehmen“ – sicher, dass das nie gelingt. Am nächsten Tag lief sie in die Werkstatt meiner Großeltern und blieb in einer Ecke stecken. Ich habe sie geschnappt, kurz bei meiner Oma abgesetzt, den Stall ausgemistet und sie dann ohne Transportkorb auf den Beifahrersitz gesetzt. Zu Hause kroch sie erst einmal unter den Autositz. Mein Vater wollte sie zurückbringen, aber meine Mutter kaufte sofort Katzenstreu – damit war klar, dass sie bleibt. Später lebte sie mit einer zweiten Katze bei meinen Eltern, während ich in Wien studierte. Mitgenommen habe ich sie erst nach dem Umbau meiner Wohnung am Stall. Seit drei Jahren wohnt sie nun wieder bei mir – gewissermaßen an ihrem Ursprungsort – und fühlt sich sehr wohl, auch wenn sie ein bisschen „asozial“ geblieben ist.

***

Mein Pianist! Der En-Chia ist ein wichtiger Partner in meinem Leben, und ich bin glücklich, dass wir auch nach all den Jahren noch gemeinsam musizieren. Unsere Zusammenarbeit begann 2018 beim ARD-Wettbewerb, wo er zunächst als Korrepetitor einsprang – obwohl er eigentlich mehrfach nein gesagt hatte. Mein Professor hat ihn damals regelrecht überredet, nein, quasi gezwungen und heute sind wir beide froh darüber. Seitdem haben wir unzählige Prüfungen, Konzerte und Projekte gemeinsam bestritten, und nächstes Jahr feiern wir fast zehn Jahre Zusammenarbeit. Programme planen wir gemeinsam, er scheut keine Herausforderung, André Jolivets „Concertino“ vielleicht – die Klaviertranskription ist der Horror. Ich bin sehr dankbar, dass er an meiner Seite ist und wir weiterhin gemeinsam unseren Weg gehen.

Termine

Auch interessant

Rezensionen

Klassik in Ihrer Stadt

Newsletter

Jeden Donnerstag in Ihrem Postfach: frische Klassik!