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Interview Arabella Steinbacher

Man ist Musiker oder man wird es nie

Arabella Steinbacher über Oasen, Angeberstücke und das Heikle an Mozart

vonArnt Cobbers,

Frau Steinbacher, Ihre Mutter war Sängerin, Ihr Vater Pianist. Wie sind Sie da zur Geige gekommen?

Meine Eltern wollten, dass ich eine Beschäftigung habe, und da bot sich ein Musikinstrument an. Und da es eine ganz kleine Geige gibt, war die das perfekte Spielzeug. Ich habe auch gern Klavier gespielt, aber ich fand die Geige viel gesanglicher. Das war mein Instrument.

Sängerin wollten Sie nicht werden?

Man macht meist etwas anderes als die Eltern. Mein Vater war Solorepetitor, und wenn der mit Sängern zusammengearbeitet hat, habe ich mir immer die Ohren zugehalten, weil die mit solch einer Lautstärke gesungen haben. Mir war die Geige lieber.

Sie sind wie Lisa Batiashvili, Julia Fischer, Veronika Eberle und Susanna Yoko Henkel Schülerin von Ana Chumachenco. Was macht sie anders als andere Lehrer?

Ihre Stärke ist, dass sie auf jeden Schüler individuell eingeht und ihn sich auf seine Art entwickeln lässt. Sie drückt niemandem ihren Stempel auf. Bei vielen Lehrern muss man alles so machen, wie er es für richtig hält. Ana Chumachenco ist für uns alle wie eine Mutter. Sie kümmert sich auch menschlich sehr um ihre Schüler, und  das ist wichtig. Man drückt in der Musik so viel aus seinem Inneren aus – wenn es einem nicht gut geht, bringt es nichts, einfach nur Unterricht zu machen.

Waren Sie und Ihre Mitschülerinnen wie eine große Familie?

Damals gab es regelmäßig Klassenabende, bei denen man anschließend noch zusammen wegging. Aber wir waren schon früh unterwegs und sind ja auch musikalisch sehr unterschiedlich. Uns verbindet ein freundschaftlich-kollegiales Verhältnis. Frau Chumachenco hat immer Wärme ausgestrahlt, es gab kein Konkurrenzdenken, keine negative Energie.

Bei vielen Musikern kommt mit 15, 16, 17 Jahren eine Phase des Zweifels.

Bei mir nicht. Mir war immer klar, dass ich Musikerin werden wollte. Ich denke auch: Man ist Musiker – oder man wird es nie. Ich bin zum Glück nicht zu früh ins Musikbusiness reingeworfen worden, es hat sich allmählich entwickelt. Ich genieße es, viele Konzerte zu spielen, gerade weil ich ein großes Repertoire habe.

Sie spielen viel Musik des 20. Jahrhunderts, aber Bergs Violinkonzert ist das einzige nicht-tonale Stück in Ihrem Repertoire.

Das ist für mich kein Kriterium, die Musik muss mich berühren. Ich spiele auch Schnittke oder Gubaidulina und bin generell schon interessiert an der heutigen Musik. Aber ich muss ja schon darum kämpfen, dass ich überhaupt Bartók, Schostakowitsch, Hindemith, Hartmann spielen kann. Da sind die Veranstalter sehr zögerlich.

Was reizt Sie an der Musik des 20. Jahrhunderts?

Die Energie, die da drin steckt, und dass man in gewisser Weise ungenierter spielen kann. Bei den Werken des  18. und 19. Jahrhunderts ist man sehr gebunden an den Stil, zum Beispiel muss man bei Mozart immer das tänzerische und Elegante bewahren. Wobei ich das Wechseln zwischen beidem am schönsten finde.

Kritiker rühmen immer wieder Ihre Virtuosität. Aber klassische Virtuosenstücke spielen Sie überhaupt nicht, oder?

Diese  Angeberstücke  sind  nicht  mein  Fall, weil sie einfach nicht meine Natur sind. Mir ist es wichtig, mit Musik die Menschen zu berühren. Nur zu beeindrucken mit technischen Fähigkeiten, interessiert mich nicht.

Sie spielen auch viel Mozart.

Der verfolgt mich zur Zeit. Ich habe als Kind schon viel Mozart gespielt, und ich spiele ihn wahnsinnig gern. Aber dass ich momentan so oft mit Mozart eingeladen werde, ist Zufall. Durch Mozart lernt man als Musiker am meisten, er liegt nicht jedem und ist für jedes Instrument heikel, so einfach er auch klingt. Man muss immer sehr delikat und elegant bleiben. Man muss total frei spielen, aber auf eine sehr feine, kultivierte Art.

Stimmt es, dass Sie gern Aufnahmen von Heifetz, Kreisler, Grumiaux hören?

Nach wie vor! Ich habe das Gefühl, damals war noch mehr Seele dabei, es gab noch nicht den Druck, alles immer perfekter zu machen. Dadurch geht Lebendigkeit verloren. Deshalb finde ich auch heute Live-Aufnahmen spannender. Da spielt man mit einer anderen Energie.

Wie findet man einen eigenen Weg in der Interpretation?

Indem man den Mut hat, loszulassen, was vielleicht auch das Schwierigste ist. Man darf sich nicht beeindrucken lassen von äußeren Einflüssen, sondern muss auf der Bühne Risiken eingehen. Nur dann spielt man komplett frei und hat seine eigene Stimme. Ich bin kein Kopfmensch, ich weiß nie, wohin es mich in einem Konzert emotional treibt. Manchmal kommt vom Orchester etwas musikalisch Unerwartetes, auf das man spontan antwortet, so etwas kann man nicht planen.

Da müssen Sie sich mit dem Dirigenten aber gut verstehen.

Ein guter Dirigent unterstützt und begleitet den Solisten bei seinen Ideen, und wenn das Orchester mitzieht, funktioniert es.

Wird man als junge Musikerin nicht manchmal untergebuttert von den erfahrenen Dirigenten?

Es ist selten vorgekommen, dass ich mich mit einem Dirigenten gar nicht verstanden habe. Wenn man irgendwo debütiert mit einem großen Orchester oder einem Dirigenten, ist schon ein großer Druck dabei. Die ersten  Jahre sind ziemlich anstrengend für die Nerven, da muss man einfach durchhalten. Jetzt bekomme ich viele Wiedereinladungen, und es ist schön, zurückzukommen zu Orchestern und Dirigenten, die man kennt und mit denen man gut zusammengearbeitet hat.

Sie haben mal gesagt, man müsse als Musikerin versuchen, ein normales Leben zu führen. Kann man das überhaupt?

Das bedeutet für jeden was anders. Mir ist es einfach wichtig, dass ich Zeit habe für mich und mich nicht nur in Hotels und Flughäfen aufhalte. Man muss seine Oasen haben: Für mich heißt das, dass ich in der Natur joggen gehe, Tagebuch schreibe, meditiere.

Sieht man Sie also im Winter durch den Tiergarten joggen, wenn es das Wetter zulässt?

Das kann passieren. Nur an den Konzerttagen kann ich mich sportlich nicht ganz so verausgaben. Aber Joggen ist schon ein guter Ausgleich.

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