Zu Beginn von Goethes „Faust“ zählt der größte Sinnsucher der deutschen Literatur seinem Publikum auf, was er schon alles studiert hat, ohne zum Kern dessen vorzudringen, was „die Welt im innersten zusammenhält“. Die Antwort auf diese Frage hat Charles Gounod mit seiner 1859 im Paris uraufgeführten Faust-Oper schnell gefunden: Die Liebe allein kann dem Leben einen Sinn geben und den dissoziierenden Tendenzen des Teufels trotzen.
So stellte der große französische Romantiker das Sinnliche über das Geistige und Marguerite noch einen schützenden Freund zur Seite, den es bei Goethe nicht gibt, und schuf sein größtes Meisterwerk. Gounods „Faust“ ist ein Meilenstein des Musiktheaters und ein Muss für jeden Vokalfetischisten, weil der Komponist mit diesem Werk Paraderollen für gleich vier Stimmfächer schuf und die Musik vor Saft und Kraft nur so strotzt. Goethe hätte es gefallen, denn er äußerte einmal, dass er sich eine Vertonung seines Fausts ganz im Charakter von Mozarts „Don Giovanni“ wünsche. Der allerdings fuhr am Ende in die Hölle, während Gounod in den letzten Takten mit lichtem Chorglanz die Himmelspforte öffnet.
(Sören Ingwersen)